Servitization
Was ist Servitization?
Eine Einführung
Vom Verkäufer zum Service-Champion
Servitization, ein Konzept, das ursprünglich aus dem Konsumbereich stammt, beschreibt den Wandel von einem produktzentrierten Geschäftsmodell hin zu einem dienstleistungsorientierten Ansatz. Der Paradigmenwechsel begann in den 1980er Jahren, als Unternehmen weltweit erkannten, dass der Verkauf von Dienstleistungen rund um ihre Produkte nicht nur zusätzlichen Umsatz generieren, sondern auch langfristige Kundenbeziehungen fördern konnte.
Durch die Nutzung von IoT und Maschinendaten können Maschinen und Anlagen heute weit mehr leisten, als nur zu produzieren – sie können auch kommunizieren, lernen und Service erbringen.
Doch was bedeutet das für Unternehmen und Kunden? Wie können Sie von dieser Entwicklung profitieren? Entdecken Sie die Geschichte der Servitization, ihre wachsende Bedeutung im B2B-Sektor und die enormen Vorteile, die sie speziell für den Maschinen- und Anlagenbau bietet.
Maschinendaten nutzen – Effizienz steigern
Durch Servitization, angetrieben durch IoT und umfangreiche Maschinendaten, verwandeln sich Maschinen in intelligente Einheiten, die ihre eigene Wartung planen, Echtzeit-Optimierungen vornehmen und sogar neue Geschäftsmodelle ermöglichen.
Was ist (Industrial) Servitization?
Industrial Servitization bezeichnet den Prozess, durch den Maschinen- und Anlagenbauunternehmen ihre Geschäftsmodelle von der reinen Produktion und dem Verkauf physischer Güter hin zur Bereitstellung von umfassenden, wertsteigernden Dienstleistungen weiterentwickeln. Dabei werden Dienstleistungen wie Software zur Überwachung, Steigerung der Effizienz, vorausschauende Wartung und Fernüberwachung in sogenannten Produkt-Service-Bündeln, auch bekannt als Produkt-Service-Systeme angeboten.
Die Dienstleistungen basieren häufig auf der Nutzung von Maschinendaten und modernen IoT-Technologien und umfassen unter anderem die vorausschauende Wartung, Fernüberwachung, Leistungsoptimierung und sogar neue nutzungsbasierte Abrechnungsmodelle.
Ziel der Servitization ist es, die Kundenbindung zu stärken, neue Einnahmequellen zu erschließen und den langfristigen Erfolg durch kontinuierliche Wertschöpfung zu sichern.
Der Übergang zum B2B und Industriellen Sektor
Mit der fortschreitenden Digitalisierung und dem Aufkommen des Internets der Dinge (IoT) in den 2000er Jahren erlebt die Servitization einen weiteren Schub.
Während diese Strategie zunächst im B2C-Sektor Fuß fasste, gewinnt sie heute zunehmend auch im B2B-Bereich und insbesondere im industriellen Sektor an Bedeutung.
Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau erkennen, dass sie durch die Integration von Dienstleistungen nicht nur differenzierter und wettbewerbsfähiger werden, sondern auch neue Einnahmequellen erschließen können.
Servitization bei Xerox und Rolls-Royce
Unternehmen wie Xerox und Rolls-Royce setzten schon früh auf Servitization. Xerox verlagerte seinen Fokus vom Verkauf von Kopierern hin zur Bereitstellung von Druckdienstleistungen und wurde so zum Vorreiter des Pay-per-Klick-Modells. Rolls-Royce bot seinen Kunden an, Triebwerke nicht zu kaufen, sondern nur die Nutzung auf zurückgelegter Strecke zu bezahlen – inklusive Wartung und Reparatur.
Dank leistungsstarker Technologien können heute umfangreiche Maschinendaten in Echtzeit erfasst, analysiert und in wertvolle Dienstleistungen umgewandelt werden.
Diese Entwicklungen ebnen den Weg für eine neue Ära der Servitization, in der datengetriebene Entscheidungen und innovative Geschäftsmodelle den Maschinen- und Anlagenbau revolutionieren.
Die Grundlagen von Servitization
Die Grundlage der Servitization bildet die Erfassung und Analyse von Maschinendaten. Diese Daten sind das Herzstück moderner Dienstleistungen und bieten tiefgehende Einblicke in den Betrieb und die Leistung von Maschinen und Anlagen.
Doch wie funktioniert das genau und welche Technologien sind dafür notwendig?
Erfassung von Maschinendaten
Die Erfassung von Maschinendaten umfasst zahlreiche Betriebs- und Zustandsparameter wie Temperatur, Vibration, Druck und Stromverbrauch. Diese Daten werden meist auf der Steuerungsebene gesammelt und durch den Einsatz von Industriestandards wie OPC-UA (Open Platform Communications Unified Architecture) und Modbus automatisiert ausgelesen.
IoT-Gateways spielen hierbei eine entscheidende Rolle, indem sie die Daten sicher und effizient aus den Maschinen extrahieren. Diese Standards und Technologien ermöglichen eine nahtlose Integration und Kommunikation zwischen unterschiedlichen Geräten und Systemen, wodurch eine umfassende und detaillierte Überwachung des Maschinenzustands ermöglicht wird.
Übertragung und Speicherung
Nach der Erfassung werden die Daten nahezu in Echtzeit an zentrale Datenbanken oder Cloud-Plattformen übertragen. Dabei kommen moderne Kommunikationstechnologien wie Mobilfunk sowie spezialisierte IoT-Protokolle wie MQTT (Message Queuing Telemetry Transport) zum Einsatz, die eine zuverlässige und schnelle Datenübertragung sicherstellen. Die Speicherung dieser Daten erfolgt in skalierbaren und sicheren Cloud-Infrastrukturen, die dafür ausgelegt sind, große Datenmengen effizient zu verarbeiten und zu analysieren.
Zustandsüberwachung
Die kontinuierliche Zustandsüberwachung ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Maschinen- und Anlagenüberwachung. Hierbei werden die gesammelten Daten in Echtzeit analysiert, um den aktuellen Zustand der Maschinen zu überwachen.
Durch die Nutzung von Dashboards und Visualisierungswerkzeugen können Betriebsleiter und Techniker sofortige Einblicke in die Maschinenleistung erhalten. Diese Echtzeitüberwachung ermöglicht es, Abweichungen von normalen Betriebsbedingungen zu erkennen und sofort auf Abweichungen vom normalen Betriebszustand reagieren.
Datenanalyse und -verarbeitung
Die eigentliche Magie passiert in der Datenanalyse. Mithilfe fortschrittlicher Analytik-Tools und Algorithmen werden die gesammelten Daten ausgewertet, um Muster und Anomalien zu erkennen. Sie ermöglichen es, vorausschauende Wartungsstrategien zu entwickeln, indem sie Verschleißmuster erkennen und bevorstehende Ausfälle vorhersagen. So können Wartungsarbeiten geplant und ungeplante Stillstände vermieden werden.
Die 5 Phasen der Servitization
Der Prozess der Servitization kann in fünf Phasen unterteilt werden, die Unternehmen durchlaufen müssen, um erfolgreich Dienstleistungen in ihr Geschäftsmodell zu integrieren:
1. Produktbasierte Dienstleistungen
In dieser Phase bieten Unternehmen grundlegende Dienstleistungen an, die direkt mit ihren physischen Produkten verbunden sind. Dies kann die Installation, Inbetriebnahme und grundlegende Wartung der Maschinen umfassen.
2. Prozessbasierte Dienstleistungen
Unternehmen erweitern ihr Serviceangebot um Dienstleistungen, die sich auf den gesamten Betriebsprozess ihrer Kunden auswirken. Dazu gehören Schulungen, Prozessoptimierungen und Beratungsleistungen.
3. Ergebnisbasierte Dienstleistungen
In dieser Phase bieten Unternehmen Dienstleistungen an, die auf den Ergebnissen basieren, die ihre Kunden erzielen möchten. Beispiele hierfür sind zustandsbasierte Wartung, datenbasierte Optimierung der Maschinenproduktivität und vorausschauende Wartung.
Beispiele:
- NSH Group – IronMind:
Die NSH Group bietet mit IronMind eine digitale Lösung zur vorausschauenden Wartung und Optimierung an. Diese Lösung verwendet Maschinendaten, um Ausfallzeiten zu minimieren.
- Munters
Munters setzt IoT-Technologien ein, um die Effizienz von Luftbehandlungssystemen zu steigern. Ihre Lösungen überwachen und steuern Klimabedingungen in Echtzeit.
4. Plattformbasierte Dienstleistungen
Unternehmen nutzen digitale Plattformen, um ihre Dienstleistungen bereitzustellen. Dies umfasst die Nutzung von IoT, Cloud-Computing und Datenanalysen sowie Kundenportale.
Beispiele:
- Kaeser – Sigma Air Utility:
Kaeser bietet mit Sigma Air Utility ein Betreibermodell für die Druckluftversorgung an. Kunden zahlen nur für die genutzte Druckluft, während Kaeser die Installation, den Betrieb und die Wartung übernimmt.
5. Geschäftsmodellinnovation
In der letzten Phase entwickeln Unternehmen ihr Geschäftsmodell weiter, um Dienstleistungen in den Mittelpunkt zu stellen. Dies kann die Einführung von Pay-per-Use- und Abo-Modellen umfassen.
Beispiele:
- DMG Mori – PAYZR:
DMG Mori hat mit PAYZR (steht für “Pay with Zero Risk”) ein Abo-Modell für Maschinen und digitale Lösungen entwickelt. Kunden zahlen nach Nutzung, ohne hohe Investitionskosten, und profitieren von flexiblen Finanzierungsoptionen und umfassenden Servicepaketen.
- Heller – Heller4Use:
Heller4Use bietet ein nutzungsbasiertes Geschäftsmodell für Werkzeugmaschinen. Kunden mieten Maschinen und zahlen nur für die tatsächliche Nutzung, wobei umfassende Serviceleistungen die Maschinenverfügbarkeit maximieren..
Vorteile der Servitization
Vorteile für Hersteller
Neue Einnahmequellen: Wenn Hersteller Services bereitstellen, können sie zusätzliche Einnahmequellen erschließen und ihre Abhängigkeit vom reinen Produktverkauf reduzieren.
Wettbewerbsvorteil: Unternehmen, die innovative Dienstleistungen anbieten, positionieren sich als Marktführer und können sich von der Konkurrenz abheben.
Kundenbindung: Durch die Bereitstellung wertvoller Dienstleistungen können Unternehmen die Zufriedenheit und Loyalität ihrer Kunden erhöhen.
Effizienzsteigerung: Die Digitalisierung und Automatisierung von Dienstleistungen ermöglichen es Unternehmen, ihre internen Prozesse vor allem im Service zu optimieren und die Effizienz zu steigern.
Vorteile für Kunden
Höhere Maschinenverfügbarkeit: Durch vorausschauende Wartung und Echtzeit-Überwachung können Kunden die Verfügbarkeit und Leistung ihrer Maschinen maximieren.
Kostenreduktion: Vorausschauende Wartung und optimierte Betriebsbedingungen führen zu geringeren Wartungskosten und einer längeren Lebensdauer der Maschinen.
Bessere Entscheidungsfindung: Durch den Zugang zu umfangreichen Daten und Analysen können Kunden fundierte Entscheidungen treffen und ihre Betriebsprozesse optimieren.
Erhöhte Flexibilität: Dienstleistungen wie Equipment-as-a-Service bieten den Kunden die Möglichkeit, Maschinen nach Bedarf zu nutzen und Kosten flexibel zu gestalten.
Gemeinsame Vorteile
Partnerschaftliche Zusammenarbeit: Servitization fördert eine engere Zusammenarbeit zwischen Maschinenbauunternehmen und ihren Kunden. Beide Seiten profitieren von einem kontinuierlichen Austausch und einer gemeinsamen Zielsetzung.
Innovation und Wachstum: Durch die gemeinsame Nutzung von Daten und Technologien können Unternehmen und Kunden innovative Lösungen entwickeln und neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen.
Nachhaltigkeit: Die Optimierung von Maschinen und Betriebsprozessen trägt zur Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und zur Förderung nachhaltiger Praktiken bei.
Zukunftsausblick
Der Trend zur Servitization im Maschinen- und Anlagenbau wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken. Mehrere Faktoren tragen zu dieser Entwicklung bei:
Technologischer Fortschritt
Der technologische Fortschritt, insbesondere im Bereich des IoT, der Künstlichen Intelligenz und der Datenanalyse, wird neue Möglichkeiten für die Servitization eröffnen. Diese Technologien ermöglichen es Unternehmen, noch detailliertere Einblicke in die Leistung ihrer Maschinen zu gewinnen und ihre Serviceangebote weiter zu optimieren.
Verändernde Kundenanforderungen
Kunden erwarten zunehmend umfassende Lösungen, die nicht nur qualitativ hochwertige Maschinen, sondern auch zuverlässige Dienstleistungen umfassen. Unternehmen, die diesen Erwartungen gerecht werden, können sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und ihre Marktposition stärken.
Nachhaltigkeit und Effizienz
Nachhaltigkeit und Effizienz werden immer wichtiger. Unternehmen müssen Wege finden, ihre Betriebskosten zu senken und ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Servitization bietet eine Möglichkeit, diese Ziele zu erreichen, indem sie eine kontinuierliche Optimierung der Maschinenleistung und eine vorausschauende Wartung ermöglicht.
Neue Geschäftsmodelle
Neue Geschäftsmodelle, wie Pay-per-Use und Abonnementdienste, werden an Bedeutung gewinnen. Diese Modelle bieten sowohl Unternehmen als auch Kunden mehr Flexibilität und ermöglichen es, Dienstleistungen bedarfsgerecht zu nutzen und zu bezahlen.
Globaler Wettbewerb
Der globale Wettbewerb zwingt Unternehmen, ständig nach neuen Wegen zu suchen, um sich zu differenzieren und ihren Kunden Mehrwert zu bieten. Servitization bietet eine Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben und zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen.
Zusammengefasst
Servitization markiert einen tiefgreifenden Wandel im Maschinen- und Anlagenbau, indem es Unternehmen ermöglicht, ihre Geschäftsmodelle von reinen Produktverkäufen hin zu umfassenden, datenbasierten Dienstleistungen weiterzuentwickeln.
Durch die Integration von IoT und der Nutzung umfangreicher Maschinendaten können Maschinen und Anlagen effizienter, zuverlässiger und flexibler betrieben werden. Unternehmen, die diesen Ansatz verfolgen, schaffen neue Einnahmequellen, stärken ihre Kundenbeziehungen und setzen sich im Wettbewerb ab.
Servitization wird durch den technologischen Fortschritt, veränderte Kundenanforderungen und den zunehmenden Fokus auf Nachhaltigkeit und Effizienz weiter vorangetrieben. Zukünftige Geschäftsmodelle wie Pay-per-Use und Abonnementdienste bieten dabei zusätzliche Chancen für Innovation und Wachstum.
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