Service auf Augenhöhe – Ein Gastbeitrag von Stefan Goldschmidt
Service auf Augenhöhe – 5 Prinzipien, die den Unterschied machen
Was bedeutet eigentlich „Service auf Augenhöhe“ – jenseits der üblichen Phrasen? Im Gespräch mit Stefan Goldschmidt wird schnell klar: Es geht nicht um Höflichkeitsfloskeln, sondern um Haltung, System und Praxis.
Über den Autor
Stefan Goldschmidt ist Service Director Support bei der Viastore Group, einem Anbieter vollautomatisierter Lagersysteme. Er verantwortet den Remote-Support und betreut mit seinem Team internationale Kunden 24/7 – mit klarer Philosophie: Service beginnt mit Zuhören.
Stefan Goldschmidt hat im Gespräch mit uns fünf Prinzipien geteilt, die für ihn den Unterschied machen – entstanden aus jahrelanger Praxis und täglicher Verantwortung. Sie zeigen, wie Service menschlich bleibt, auch wenn Systeme komplexer werden. Und warum gerade diese Haltung zu mehr Effizienz, Vertrauen und Kundennähe führt.
1. Standards ja – aber mit Spielraum
Im Servicealltag brauchen wir klar definierte Abläufe. Sie sorgen für Effizienz, Sicherheit und Vergleichbarkeit. Doch gerade im Maschinenbau gilt: Kein Kunde ist wie der andere. Wer Service auf Augenhöhe bieten will, muss Prozesse nicht abschaffen – sondern intelligent öffnen.
Bei Viastore arbeiten wir mit standardisierten Kernprozessen: Ticketbearbeitung, Reaktionszeiten, Reporting, Eskalationsstufen. Diese Standards sind wichtig – aber wir verstehen sie als Fundament, nicht als starres Korsett.
Ein Beispiel: Manche Kunden wünschen sich Serviceberichte in einem bestimmten Format. Früher hätte ich gesagt: „Das geht nicht, wir haben unser Standard-Template.“ Heute sagen wir: „Kein Problem – was brauchen Sie genau?“
Diese Flexibilität kostet uns intern wenig – bringt dem Kunden aber viel. Und das stärkt die Beziehung. Der Punkt ist: Standards sind kein Selbstzweck. Sie sollen entlasten, nicht einengen. Wer seinen Service auf Augenhöhe gestalten will, muss den Mut haben, Regeln zu dehnen – wenn es sinnvoll ist.
2. Zuhören statt Wegdelegieren – Direkter Kundenkontakt als Schlüssel
Im industriellen Service kann es schnell passieren, dass sich Prozesse verselbstständigen. Anfragen laufen über mehrere Stationen, Rückfragen werden schriftlich beantwortet, Abstimmungen über Ticketsysteme geführt. All das hat seine Berechtigung – keine Frage. Aber es darf nicht dazu führen, dass der direkte Kontakt zum Kunden verloren geht.
Deshalb ist für mich eines klar: Wer Service auf Augenhöhe bieten will, muss reden. Im besten Fall direkt, telefonisch oder in einem Online-Call. Denn erst im Gespräch höre ich Zwischentöne, erkenne Prioritäten, kann nachfragen und einordnen. Und genau das schafft Vertrauen – vor allem in kritischen Situationen.
Was sich durch aktives Zuhören konkret verbessert:
- Missverständnisse werden schneller erkannt und geklärt. Oft haben Kunde und Service unterschiedliche Begriffe für das gleiche Problem. Das lässt sich im Gespräch viel schneller klären als schriftlich.
- Der Kunde fühlt sich ernst genommen. Selbst wenn noch keine Lösung da ist – die Tatsache, dass jemand aktiv zuhört und Rückfragen stellt, schafft Sicherheit.
- Die interne Zusammenarbeit wird effizienter. Wenn ich den Sachverhalt direkt mit dem Kunden kläre, erspare ich dem Team viele Rückfragen und Umwege.
Natürlich ist es nicht immer möglich, jeden Fall persönlich zu klären. Aber bei allem, was komplex, kritisch oder emotional aufgeladen ist, gilt: Direkter Kontakt hat Vorrang. Ich selbst versuche, meinem Team vorzuleben, wie wichtig das ist – auch wenn der Kalender voll ist.
3. Der Kunde ist nicht immer der Laie
Früher habe ich gedacht: Wir sind die Experten, der Kunde ist der Anwender. Punkt. Heute weiß ich: Das ist oft zu kurz gedacht. Ich habe Kunden erlebt, die seit Jahren mit einer spezifischen Anlage arbeiten – und ein tiefes Verständnis dafür entwickelt haben, das bei uns intern niemand in dieser Form und Tiefe aufgebaut hat.
Für mich war das ein Perspektivwechsel: Augenhöhe heißt auch, die Expertise des Kunden anzuerkennen. Und daraus ergibt sich viel. Ich kann diesen Kunden andere Services anbieten – etwa Performance-Analysen oder individuelle Optimierungsworkshops. Dinge, die über den klassischen Support hinausgehen.
Dafür muss ich die Kunden aber auch einordnen können. Nicht alle brauchen das. Manche wollen einfach nur, dass ihre Anlage läuft. Andere wollen mehr. Und auf die kann ich anders zugehen – fachlich, aber auch menschlich.
4. Nähe durch Verlässlichkeit – Verbindung zur Maschine ist Verbindung zum Kunden
In meinem Bereich – Remote Support – gibt es eine simple Wahrheit: Wenn wir im Ernstfall keine Verbindung zur Anlage bekommen, wird’s richtig teuer. Für den Kunden. Und für uns.
Früher war das leider oft so. Dann stand die Anlage – aber der Fernzugriff funktionierte nicht. Heute testen wir bei unseren 24/7-Kunden regelmäßig die Remote-Verbindung. Einfach, um sicherzugehen.
Das wirkt banal, hat aber enorme Wirkung. Der Kunde merkt: Wir denken mit. Wir kümmern uns. Und im Ernstfall sind wir schnell da. Technische Zuverlässigkeit ist nicht nur Pflicht – sie ist ein Zeichen von Respekt.
Deshalb glaube ich: Verlässlichkeit ist keine Eigenschaft – sie ist eine Servicehaltung. Wer proaktiven Service wirklich leben will, beginnt bei den Basics. Und führt sie konsequent aus.
Datenerfassung mit Synctive
Wenn Stefan betont, wie wichtig eine stabile Verbindung zur Maschine ist, spricht er aus Erfahrung – etwa mit VPN-Fernzugriffslösungen. In vielen Fällen ist das ein wichtiger erster Schritt.
Wir glauben: Es geht noch kontinuierlicher.
Mit unserem IoT-Ansatz besteht die Verbindung zur Maschine dauerhaft – nicht nur im Störfall. Das ermöglicht uns, Zustände kontinuierlich zu überwachen, Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern, bevor die Maschine still steht.
Mehr erfahren5. Proaktivität beginnt intern
Ohne Systeme, die Tickets, Zeiten, Eskalationen und Maschinendaten sauber erfassen, wäre unser Servicegeschäft nicht machbar. Aber proaktiver Service entsteht nicht nur durch das Tool – sondern durch die proaktive Haltung des Service-Teams, das es nutzt.
Für mich beginnt proaktives Handeln mit Transparenz. Wir haben uns deshalb entschieden, den Servicealltag sichtbar zu machen – und zwar systematisch. Jeden Morgen setzen wir uns in einem kurzen Service-Stand-Up-Meeting zusammen. Alle, die operativ im Support arbeiten, schildern, was gerade anliegt: Wo hakt es? Welche Probleme treten wiederholt auf? Was haben andere schon einmal ähnlich erlebt?
Das klingt banal, verändert aber alles. Erstens erkennen wir wiederkehrende Muster, bevor sie zum Flächenbrand werden. Zweitens entsteht durch den offenen Austausch ein Verantwortungsgefühl: Wir sprechen nicht über Schuld, sondern finden gemeinsam Lösungen. Und drittens verschaffen wir uns dadurch Handlungsspielräume – intern wie extern.
Ein Beispiel: Wenn wir merken, dass bei bestimmten Kundentypen immer dieselben Probleme mit Remote-Verbindungen auftauchen, analysieren wir das gezielt. Daraus haben wir z.B. den wöchentlichen Verbindungscheck als neuen Standardprozess abgeleitet – eine Maßnahme, die inzwischen spürbar Ausfälle reduziert hat.
Diese Art zu arbeiten braucht Zeit, Routine und Vertrauen. Und genau das ist die Basis für proaktiven Service.
Fazit: Service auf Augenhöhe ist eine Haltung – und eine Strategie
Ich werde oft gefragt, wie man seinen Service kundenorientierter machen kann. Meine Antwort ist immer dieselbe:
Fangt an, zuzuhören. Redet mit euren Kunden. Und mit eurem Team.
Schafft eine dauerhafte Verbindung zur Maschine – und damit eine belastbare Grundlage für die Beziehung zum Kunden. Denn Maschinen, die zuverlässig laufen, sorgen nicht nur für reibungslose Abläufe, sie stärken auch das Vertrauen in den Servicepartner.
Service auf Augenhöhe ist ein strategisches Prinzip für nachhaltige Kundenbindung, für neue Geschäftsmodelle – und für echten Mehrwert im Betrieb. Wer Service als Partnerleistung versteht, schafft Vertrauen, steigert die Effizienz und erschließt langfristig neue Potenziale.
Die fünf Prinzipien von Stefan Goldschmidt zeigen, wie dieser Wandel in der Praxis aussehen kann:
- Flexibilität trotz Standards
- Direkter Dialog statt Umwege
- Kundenkompetenz anerkennen
- Verbindung zu den Maschinend
- Proaktivität intern verankern
Wer heute proaktiven Service leben will, muss bereit sein, intern umzudenken – und extern genau zuzuhören.
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